Interview mit der Fotografin Elizaveta Porodina

Die 1987 in Moskau geborene Fotografin Elizaveta Porodina hat eine einzigartige Sicht der Welt. In ihren Werken zeigt sie uns „Glam Rock“ und Fabelwelten und interpretiert Mode mit oft sexueller Ästhetik. Die Resultate zeigen uns einen effektreichen Moment voller versteckter Emotionen. Wir haben die begabte Fotografin zu einem Interview gebeten.

Portrait Elizaveta Porodinas (© Elizaveta Porodina)

Was hat dich bewegt mit dem Fotografieren anzufangen?
Die Leere, ein Vakuum, welches sich bildete, als ich zu illustrieren und zu zeichnen aufhörte. Die Luft war irgendwann aus einem unerklärlichen Grund raus, ich verspürte keinen Wunsch mehr, auch nur ein einziges Mal zu meinem Stift zu greifen, obwohl sich die Anfänge einer möglicherweise interessanten Karriere auf diesem Gebiet abzeichneten. Natürlich machte mich diese Leere, eine gewisse kreative Sinnlosigkeit, die sich in meinem Leben breitmachte, sehr unzufrieden und unglücklich. Da begann ich nach einem anderen Medium zu suchen und fand per Zufall die Fotografie. Einerseits kann ich mich an ein sehr intensives euphorisches Gefühl erinnern, als ich bei einer Modenschau eines Freundes die Bewegungen der Models auf dem Laufsteg einfangen durfte, andererseits bot mir die Kamera in den Momenten der Traurigkeit und Leere eine Art „Versteckposition“, aus der heraus ich das Privileg hatte, das Objekt, das mich inspirierte, zu betrachten und zu dokumentieren. So gesehen und werde ich mich sicherlich irgendwann im Laufe meines Lebens auch im Medium Film wohl fühlen.

Deine Referenzfotos zeigen ausschließlich Personen in verschiedenen Posen und Umgebungen. Warum hast du dich in diesem Bereich festgelegt?
Die Antwort mag banal klingen: aber mich persönlich interessiert etwas anderes im Moment  einfach nicht so sehr. Ich genieße und spüre zur Zeit sehr intensiv die feinen Details und Unterschiede zwischen verschiedenen Menschen / Musen, die ich fotografiere. Es bereitet mir ein großes Vergnügen, zu sehen, wie die kleinste Blickveränderung, die Anspannung eines Gesichtsmuskels einfach alles am Gesamtausdruck des Gesichts ändert;
Vielleicht ist eine Erklärung meiner Festlegung mit meinem anderen Beruf (klinische Psychologin) etwas bekömmlicher. Ein guter Psychologe ist in meinen Augen auch jemand, der sich leidenschaftlich für die menschliche Natur, die Beschaffenheit der humanen Psyche begeistert, die Schönheit und die (Anti-)Ästhetik der unbewussten Wünsche und Konflikte. Dies sind auch meine liebsten Themen in meiner Fotografie.
Doch im Grunde bedeutet diese Festlegung in dieser Phase meines Lebens natürlich nicht, dass das für immer so bleiben muss; so wie ich mich kenne, kann ich mir gut vorstellen, dass ich mich in ein Paar Jahren für die Fotografie von Flusskrebsen interessiere.


WISH or COMMAND (© Elizaveta Porodina)

Deine Bilder wirken immer sehr effektvoll. Wie viel echtes Foto und Photoshop steckt in jedem Bild?
Danke für die Blumen! Das Editing ist mir grundsätzlich sehr wichtig. Bei der Digitalfotografie, wie ich sie betreibe, wird in einem Modus fotografiert, der einem im Grunde alle Informationen liefert, die die fotografierte Situation zu bieten hatte. Da ist es anschließend (in meinen Augen) an dem Fotografen, sich zu entscheiden, welche der vielen Stimmungen, die aus dem Bild herausgefiltert werden können, schließlich entstehen soll.
Doch eigentlich denke ich, dass kein Effekt und keine Stimmung dort entstehen kann, wo von Anfang an keine war. Meine Musen können bestätigen, dass eine Zusammenarbeit mit mir immer eine sehr kraftzehrende, aber fast immer fruchtbare Erfahrung für beide Seiten ist. Ich versuche stets, mich und das Model ans Limit zu bringen, weil sich im Extrem meist die interessantesten Situationen, Bewegungen und Ausdrücke entstehen. Daher denke ich, dass der größte Anteil des Effekts, von dem Du sprichst, und auch die Stimmung bereits am Set entstehen. In der Bildbearbeitung passiert im Grunde eine selektive Verstärkung dieses.

… und welche deiner Bilder zählen zu deinen persönlichen Favoriten?
Schwierige Frage! Meine Einstellung zu meinen eigenen Erzeugnissen ist extrem schwankend und wechselt jede Stunde. Auf Dauer gesehen mag ich nur sehr wenige Bilder richtig gern. Möglicherweise sind es die, auf denen es mir meiner Meinung nach gelungen ist, aus der fotografierten Person eine Eigenschaft herauszulocken, die ihr vordergründig nicht eigen war; ein eigentlich „sanftes Lämmchen“, das zu einer stolzen, erhabenen Herrscherin wird; ein kantiges, arrogantes Gesicht, das einen Moment der Schwäche und Traurigkeit offenbart.


MEDUSA electronica (© Elizaveta Porodina)

Dein Gold Project und Light Project faszinieren mich besonders – Welche Künstler inspirieren bzw. begeistern dich?
Inspiration ist natürlich ein zentrales Thema für mich. Ohne das Schaffen der verschiedenen Künstler, für die ich mich begeistere, wäre ich wohl in meinem Denken wesentlich eingeschränkter und um viele wertvolle Eindrücke ärmer. Diese Inspirationen sammle ich meistens im Film – und Literaturbereich. Ich bete verschiedene Regisseure und Filme förmlich an: David Cronenberg, David Lynch, Stanley Kubrick, Ridley Scott, FF Coppola gehören dazu. Ein Buch von Truman Capote oder Michel Hoellebecq (zz: Karte und Gebiet) bietet immer wieder auf verschiedenste Weisen Wort- und Gedankenexplosionen.
Aber auch verschiedene Fotografen aus dem Modebereich finde ich inspirierend: William Eggleston, Polaroidsammlungen von Helmut Newton, Herb Ritts, Mert & Marcus… Ich könnte jetzt selbstverständlich die Seite zu Ende vollschreiben, aber wozu gibt es Google (grinsen)

Dürfen wir uns schon auf ein nächstes Projekt von dir freuen?
Interessanterweise fange ich meistens mit den Projekten im Herbst an, also kann es sehr gut sein, dass bald was Neues kommt; es ist was in grober Planung; wenn es sein soll, wird es ein ganzes Projekt; wenn nicht, dann eben ein weiteres Teil vom Light Project.
Aber ich will nichts verschreien und vorzeitig zu viel planen. In meinem Schaffen versuche ich mich von einem Instinkt leiten zu lassen, der mich dahin bringt, wo ich als Fotograf die interessantesten Ergebnisse erzielen kann. Ein Projekt kann ich also nicht erzwingen – wenn es sein soll, wird es zu mir kommen.


WISH or COMMAND (© Elizaveta Porodina)

Links:
www.porodina.net
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Kommentare

2 Antworten zu „Interview mit der Fotografin Elizaveta Porodina“

  1. […] v. l. die Cocolores Jason und Manuel / © Elizaveta Porodina […]

  2. […] j´ai mal à la tête Frühling/Sommer 2012 „The Big Nothing“ / © Elizaveta Porodina […]