Ausstellung: Das Ich ist eine Ego-Maschine

Was ist Bewusstsein und warum entwickeln wir überhaupt bewusste Vorstellungen? Diese Fragen zählen zu den großen ungelösten Rätseln der Wissenschaft. In der Neurowissenschaf ist man sich derzeit zumindest in einem Punkt einig: Das Ich ist eine vom Gehirn erzeugte Illusion, die dafür sorgt, dass wir nur Ausschnitte der Wirklichkeit erfassen. Aus dieser Perspektive ist das Ich eine Ego-Maschine mit einer gigantischen Rechenleistung, die sich auf komplexe, pulsierende Entladungen von Milliarden Neuronen zurückführen lässt und sich zu einer Ich-Illusion verdichtet. Ohne diese Fähigkeit des Gehirns zur Vereinheitlichung wären wir nicht lebensfähig. Wir könnten nicht mit anderen Menschen kommunizieren, mit ihnen kooperieren, von ihnen lernen, mit ihnen fühlen. Inzwischen gibt es erste Ansätze, das menschliche Selbstmodell auf externe Systeme wie Roboter oder Avatare zu übertragen. Die rasant voranschreitende Kombination aus künstlicher Intelligenz und Robotik macht die Grenze von Mensch und Maschine durchlässig. Wir stehen vor einer Bewusstseinsrevolution. Mit welchen Folgen?

Antworten auf diese und weitere Fragen sucht das neue Projekt der ERES-Stiftung „Ich ist eine EGO-Maschine“: Wie fühlen wir mit anderen Menschen? Was passiert in Trance? Haben auch Tiere ein Bewusstsein? Die Ausstellung zeigt künstlerische Positionen, die sich mit den Ergebnissen der Bewusstseinsforschung auseinandersetzen oder auf eigenen Wegen zu Einsichten in das menschliche Bewusstsein gelangen.

Darunter ist beispielsweise Paweł Althamer, der sich mit allerlei Substanzen aus Chemie und Natur in bewusstseinserweiternde Zustände versetzt. Jan Fabre diskutiert in einem performativen Video mit dem Neurowissenschaftler Giacomo Rizzolatti über die Frage „Do we feel with our brain and think with our heart?“, Carsten Höllers Fotoserie „Sina“ reflektiert, ob auch Tiere ein Bewusstsein haben. Peter Kogler zieht in einem eigens für die Ausstellung konzipierten Kubus die herkömmliche Erfahrung von Raum in Zweifel und setzt irritierende Bewusstseinsphänomene frei. Die Ausstellung zeigt zudem neue „Rubbings“ von Matt Mullican sowie die Videoperformance „Breakfast“. Überraschend erzählerisch ist seine neue Arbeit „Untitled (A place to sleep)“, die mit einfachsten Mitteln die Sehnsucht des Menschen nach Geborgenheit und Intimität formuliert. Thomas Zipp entwirft ein Ensemble aus Leinwandbildern und elektronischen Musikgeräten, das er als neuronales Netzwerk inszeniert. Mit Antennen als „Wahrnehmungsorganen“ entwickelt die Musik-Maschine ein unheimliches Sound-Eigenleben – und vielleicht sogar Bewusstsein?

Gezeigt werden ferner erstaunlich künstlerisch wirkende Zeichnungen des spanischen Physiologen Santiago Ramón y Cajal, der als erster die funkenden Neuronen als Bausteine des Nervensystems identifizierte, sowie eine in der Pathologie entstandene Gehirnaufnahme des Mediziners und Fotografen Ulrich Blum. Um den Besuchern einen Eindruck von den neuen Möglichkeiten virtueller Realitätserzeugung und den immer perfekter werdenden Illusionsmaschinen zu vermitteln, ist außerdem eine VR-Brille (Oculus Rift) in der Ausstellung verfügbar. Mit dieser neuen Technik wird es für Gehirn und Bewusstsein immer schwieriger, zwischen Wirklichkeit und Virtualität zu unterscheiden.

 
noch bis 04.03.2017
Eres-Stiftung, Römerstraße 15
Di, Mi, Sa: 11:00-17:00 Uhr
Eintritt frei

 
Fotos: Thomas Zipp, Matt Mullican, Peter Kogler